Regulatorischer Irrsinn im deutschen IT-Sektor

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Regulatorischer Irrsinn im deutschen IT-Sektor

Jetzt muss ich mich doch mal aufregen…..

Die deutsche IT-Branche sieht sich seit Jahren mit einer wachsenden Flut an Normen, Gesetzen und Zertifizierungsanforderungen konfrontiert. Während internationale Standards wie ISO 27001 längst als anerkannter Goldstandard für Informationssicherheit gelten, setzt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) weiterhin auf eigene, nationale Vorgaben – etwa IT-Grundschutz, BSI-C5, B3S oder branchenspezifische Sicherheitsstandards. Diese Normen werden regelmäßig aktualisiert, verschärft oder durch neue Richtlinien wie die NIS2 ergänzt.

Deutschlands Streben nach „perfekter“ IT-Sicherheit mutiert zum absurden Selbstzweck: Während die ISO 27001 international als Goldstandard für Informationssicherheit gilt, prescht das BSI mit parallelen Sondernormen (C5, B3S) vor – entwickelt von PricewaterhouseCoopers, geprüft durch Wirtschaftsprüfer, getrieben von einem selbstreferenziellen Lobby-System. Das Ergebnis? Ein toxischer Mix aus:

  • Doppelregulierung: 90 % redundante Anforderungen, die ISO-27001-Zertifizierte erneut „beweisen“ müssen.
  • Bürokratie-Tsunami: 3–5 parallele Prüfprozesse pro Unternehmen, dokumentiert in über 1.000 Excel-Tabellen pro Audit.
  • Marktbereinigung durch Überregulierung: 68 % der IT-KMU geben in Umfragen an, Zertifizierungskosten als existenzbedrohend zu empfinden.

Durch diese regulatorische Doppelgänger-Jagd entsteht kein Mehrwert, sondern ein Wettbewerbs-Friedhof: Innovative Startups und Kleinunternehmen scheitern an Prüfkosten, etablierte Player investieren 40 % ihrer IT-Budgets in Compliance-Theater – während PwC & Co. jährlich 200 Mio. € mit Normen-Prüfungen absahnen.

Deutschland sabotiert sich selbst: Statt internationale Standards zu nutzen, baut man bürokratische Parallelwelten – und opfert dabei genau jene Unternehmen, die die digitale Wende vorantreiben könnten.

Mittelstand vs. Global Player: Wie Überregulierung den Wettbewerb verzerrt

1. Existenzbedrohung für KMU: Zahlen sprechen Klartext

  • Kostenfalle: 73 % IT-Unternehmen unter 50 Mitarbeitern bewerten BSI-C5/B3S-Prüfungen als „nicht stemmbare Last“ (Studie Bitkom 2024).
  • Personelle Überforderung: Für die parallele ISO-27001- und BSI-Zertifizierung benötigen KMU durchschnittlich 6,2 Vollzeitkräfte – bei Startups oft mehr als 50 % des gesamten Teams.
  • Marktaustritte: 12 % der Gesundheits-IT-KMU haben 2023–2025 Zertifizierungs-bedingte Geschäftsaufgaben gemeldet (Quelle: Gesundheitswirtschaftsbericht 2025).

2. Systematische Benachteiligung: Die Global-Player-Logik in der Gesundheits-IT

  • Skaleneffekte: Großkonzerne wie Siemens Healthineers oder Telekom Healthcare können Compliance-Kosten auf 500+ Kliniken umlegen – KMU stemmen Prüfungen pro Einzelkunde.
  • Lobby-Bonus: Global Player sitzen in BSI-Normungsgremien und gestalten Standards nach ihrer Infrastruktur – KMU müssen teure Nachrüstungen finanzieren.
  • Zertifizierungsoligopol: 85 % aller BSI-C5-Prüfer arbeiten für Big-Four-Unternehmen, die gleichzeitig IT-Sicherheitslösungen anbieten – ein klassischer Interessenkonflikt.
  • Eigennutzen: Die BSI-C5 wurde von PricewaterhouseCoopers geschrieben – mit der Vorgabe das nur Wirtschaftsprüfer diese zertifizieren dürfen. Also am Bersten natürlich die WP’s von PricewaterhouseCoopers selbst 😉

3. Deutschlands paradoxe Zielsetzung: Förderung vs. Zerstörung

Trotz Lippenbekenntnissen zur „Mittelstandsliga“ schafft der Regulierungsdschungel faktisch Eintrittsbarrieren:

  • Innovationsbremse: 58 % der IT-Startups verzichten auf BSI-relevante Projekte, um Prüfkosten zu vermeiden (Umfrage German Startups Association).
  • Geplante Obsoleszenz: Alteingesessene KMU verkaufen sich an Global Player, um Zertifizierungslasten abzuwälzen – 2024 gab es 23 Übernahmen dieser Art.
  • EU-Widerspruch: Während Brüssel mit dem Digital Markets Act Monopolbildung bekämpft, subventioniert Deutschland durch Normen-Wirrwarr natürliche Monopole.

4. Die Gretchenfrage: Will Deutschland den Mittelstand opfern?

Die Praxis legt nahe:

  • Fehlsteuerung: Jeder Euro für redundante Prüfungen fehlt in der Entwicklung patientenorientierter IT-Lösungen.
  • Politische Blindheit: Das Gesundheitsministerium fordert „mehr Digitalisierung“, ignoriert aber, dass 44 % der Gesundheits-IT-Dienstleister Ausstieg aus dem G-DIGA-Register prüfen (eHealth-Monitor 2025).
  • Globalisierungs-Paradoxon: Deutsche Normen isolieren den Heimatmarkt – während US-Startups mit ISO-27001-Zertifizierung europäische Gesundheitsdaten über Cloud-Dienste abgreifen.

Fazit: Deutschland inszeniert sich als Mittelstandsnation, betriebt aber de facto eine „Too big to regulate“-Politik. Wer 500 Seiten BSI-C5-Dokumentationen erstellen kann, darf mitspielen – wer revolutionäre Ideen hat, scheitert an Bürokratie. So zementiert man nicht IT-Sicherheit, sondern die Vormachtstellung weniger Konzerne. Das kann kein legitimes staatliches Ziel sein.

Mittelstand unter Druck – Markteintrittsbarrieren steigen

Gerade kleine und mittlere IT-Unternehmen (KMU) geraten durch diese Regulierungsdichte massiv unter Druck. Die Umsetzung und parallele Prüfung mehrerer, sich überschneidender Standards bindet enorme personelle und finanzielle Ressourcen, die bei Großunternehmen durch Skaleneffekte leichter abgefedert werden können. Für viele KMU bedeutet die regulatorische Mehrfachbelastung eine existenzielle Bedrohung: Sie können die Anforderungen schlicht nicht mehr stemmen und ziehen sich zunehmend aus regulierten Märkten zurück oder werden von größeren Wettbewerbern übernommen.

Fördert Deutschland ungewollt die Monopolisierung?

Diese Entwicklung wirft die Frage auf, ob Deutschland mit seiner Regulierungsstrategie nicht (un?)beabsichtigt die Marktposition internationaler Großkonzerne stärkt und dem eigenen Mittelstand den Zugang erschwert. Während Global Player eigene Compliance-Abteilungen unterhalten und Zertifizierungskosten auf viele Projekte verteilen, stehen kleinere IT-Unternehmen vor kaum lösbaren Hürden. Die Folge: Der Wettbewerb wird verzerrt, Innovation gebremst und die Vielfalt der IT-Landschaft in Deutschland gefährdet

Statt den Mittelstand zu stärken, laufen die aktuellen regulatorischen Vorgaben Gefahr, genau das Gegenteil zu bewirken: Sie schaffen Markteintrittsbarrieren, die vor allem kleinen und innovativen IT-Unternehmen den Zugang erschweren – und ebnen so den Weg für eine weitere Konzentration auf wenige große Anbieter. Deutschlands Ziel sollte es sein, ein innovationsfreundliches, aber auch international anschlussfähiges IT-Regelwerk zu schaffen, das Sicherheit garantiert, ohne den Mittelstand zu überfordern.

Wer mehr wissen möchte:

Fragwürdiges Prozedere und Goldgrube für Wirtschaftsprüfer (Golem)
Äquivalenzverordnung zum BSI C5-Testat: Das Chaos geht weiter (Golem)

Tobias Altemeier

 

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